Willkommen auf dem Blog zum 1:1- computing- Projekt in Guttannen


Seit Sommer 2010 erprobt eine 5./6. Klasse im kleinen Berner Oberländer Bergdorf Guttannen 1:1- computing im Unterricht, es werden hierfür Netbooks und Tablets eingesetzt. Wegen einer Klassenzusammenlegung findet das Projekt seit Sommer 2012 in der Gesamtschule (1.-6. Klasse) statt. In Zusammenarbeit mit der Pädagogischen Hochschule Bern werden Erfahrungen gesammelt, wie sich die kleinen Computer und Tablets im Unterricht und als Hilfsmittel bei der Bearbeitung der Hausaufgaben einsetzen lassen.

Auf diesem Blog werden regelmässig aktuelle Informationen zu Unterrichtsszenarien sowie technischen Inhalten festgehalten. Weitere Detailinformationen zum Projekt finden sich bei den ältesten Posts vom Sommer 2010.

Montag, 9. Januar 2012

Ein Schultag mit Skype



Der Tag 4 der Strassenschliessung heute war gleichzeitig der 1. Schultag nach den Ferien. Gerade mal die Hälfte der Klasse traf morgens im Klassenzimmer ein und mit den andern SchülerInnen begann die Aktion "Skype - Schule". Da meine Frau den ganzen Morgen über Unterricht hielt, konnte ich die "Ausgeschneiten" betreuen. Dies bedeutete natürlich einen personellen Aufwand, der nur für ein solches Experiment mal betrieben werden kann und der bestimmt nicht besonders zukunftsweisend ist, schliesslich gilt es ja allenthalben Lehrkräfte und Lektionen einzusparen. 

Jedenfalls bot uns der heutige Tag eine eindrückliche Gelegenheit, mal Skype nicht nur als "Spielzeug" im ICT-Wahlfachunterricht sondern als wirklich nützliches Kommunikationsmedium mit SchülerInnen einzusetzen, die wegen Lawinengefahr und Lawinenniedergängen den Unterricht nicht besuchen können. 

Zu Tagesbeginn mussten wir uns noch mit technischen Problemen abmühen, bald lief es aber recht rund. Vorerst bereitete uns v.a. die Akustik Probleme. Eine Art Rückkopplung - oder was immer - bescherte uns bei einzelnen Verbindungen unerträgliche Geräusche in allen möglichen Variationen. Durch eine Positionsänderung der betroffenen Netbooks konnte diese unhaltbare Situation dann aber behoben werden. An das Ruckelbild mit seinen manchmal grotesken und auch humoristischen Standbildern gewöhnte man sich irgendwann, wichtig war ja für unseren Zweck eine gute akustische Verbindung.

Sollten sich Unterrichtsformen im Bereich des Videounterrichtes zwischen verschiedenen Klassen in Zukunft etablieren können, so ist eine Infrastrukturanpassung (v.a. wohl eine leistungsstarke Glasfaserleitung) jedoch zwingend von Nöten. Recht unbrauchbar kommen die Bilder oftmals auf der andern Seite an, oftmals mit zeitlicher Verzögerung und niemals wirklich richtig bewegt. Dies wird dann bemühend, wenn man z.B. auf einem Papier oder an der Wandtafel Sachverhalte mit Stift oder Kreide veranschaulichen will und das Bild zum gesprochenen Text erst viel später beim Empfänger ankommt: Verwirrung total! So versuchte ich heute einem Schüler eine Bruchrechnung grafisch darzustellen, staunte aber, von welchen Figuren das Kind am andern Ende der Leitung berichtete. Von solchen, die ich eine Minute zuvor gezeichnet hatte. Dieses Experiment mussten wir sehr schnell abbrechen.

Wozu sich Skype jedoch heute sehr gut bewährte, war zur althergebrachten Kommunikation, so wie sie auch am Lehrerpult statt findet. Immer mal wieder wurde ich angerufen, um Hilfe bei Mathaufgabe XY oder Franzübung Z zu geben, man versicherte sich von Schülerseite, auch alle schriftlich abgegebenen Anweisungen richtig verstanden zu haben, wollte wissen, was zu tun sei, wenn alle Aufträge beendet seien (Antwort: den Tag geniessen!) oder ob es dem Lehrer wirklich Ernst sei, derart viele Aufgaben gegeben zu haben. Inhaltlich galt es etwa im NMM (MU) zum neuen Thema "Tiere im Winter" im Internet zu recherchieren, im Französisch eine Lied zu üben und im Deutsch eine vom Lehrer aufgenommene und in der Dropbox gespeicherte Ration individueller Fehlerwörter (als Audiodatei) zu trainieren. 

Zwei Kinder hatten im Vorfeld vermeldet, zu Hause über einen Internetanschluss zu verfügen, nutzten jenen heute am elterlichen Computer auch, vermochten aber ihr eigenes Netbook mit dem entsprechenden Kabel oder WLAN nicht zu verbinden. Vermutlich wäre dieses Problem mittels einfachem telefonischem Support meinerseits lösbar gewesen, doch ganz ehrlich gesagt, liess ich jenen sein, war ich doch mit den andern "Skypern" schon genügend auf Trab gehalten, so dass ich wohl gar nicht mehr viel mehr Anfragen hätte beanworten können.... 

Zeitweise wähnte ich mich in der Rolle einer Telefonistin vor 70 Jahren: "Nein, im Moment kann ich deine Frage nicht beantworten, habe gerade noch mit XY eine Verbindung am laufen".  "Warte noch 2 Minuten, dann kannst du dein Anliegen anbringen, im Moment sind schon zwei Kinder dran". " Zwei Kinder? Da könnten wir eigentlich ein Konferenzgespräch starten." Zwischendrin klingelt noch das Telefon und jemand, der die Skype- Verbindung nicht hingekriegt hat, setzte einen Notruf ab. Uff, ganz schön turbulent zweitweise! Erst am Mittag stellte ich fest, gar keine Pause eingeschaltet zu haben. Und doch: irgendwann stellte sich so etwas wie Routine ein. Man könnte sich an eine solche Art von "Unterricht" schon gewöhnen, bloss zum Alltag werden darf sie bestimmt nicht. Da fehlt einfach definitiv der 1:1- Kontakt und zwischendurch mal das nicht schräg verzerrte Gesicht eines Schülers/ Lehrers als Gegenüber. Mir ist aufgefallen, dass sich einzelne Kinder, grad aus einem abgeschlossenen Dorfteil, wohl auch etwas einsam fühlten vor dem Computer und sich manchmal mit nicht wirklich dringenden Anliegen meldeten. 

Zur grossen Pause gab's dann eine gemeinschaftliche "Direktschaltung" ins Klassenzimmer. Die "Ausgeschneiten" wurden in einer Konferenzschaltung auf den Bildschirm "gezaubert" und die Kinder, die in Guttannen den Unterricht besuchten, konnten ihnen Grüsse zukommen lassen etc. Während der grossen Pause wurde später der fröhliche Betrieb auf dem tief verschneiten Pausenplatz in die verschiedenen Stuben in der ganzen Talschaft übertragen.

Mein Fazit: Skype ist ein absolut taugliches Kommunikationsmittel für den Bildungsbereich, man organisiere sich aber einen Co- Piloten, will man es im grösseren Stil im Unterricht einsetzen und v.a. mache man ein paar Tausend Franken locker und beschaffe sich die neuste Infrastruktur. Als Tagesexperiment ganz witzig, müssten pädogisch- didaktische Überlegungen für einen längeren oder regelmässigen Einsatz bestimmt noch überdacht werden.

Ob wir das Experiment morgen wiederholen? Das kommt darauf an, wann die Strasse wieder geöffnet wird!

1 Kommentar:

  1. Ja, ja, der Ernstfall! Ein spannender Bericht, Urs! Ich finde es genial, was ihr in diesen Tagen in eurer speziellen Situation initiiert und erlebt.
    Andreas Jungen

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