Am 18. Februar 2011 veröffentlichte die Neue Luzerner Zeitung in einem Dossier zum Thema "Computer in der Schule" einen Artikel mit Informationen rund um das laufende 1to1- computing Pilotprojekt an der Schule Guttannen. Nachfolgend finden Sie einen Ausschnitt aus dem Artikel (Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung der Redaktion):
Das Klassenzimmer der Zukunft
Redaktion: Barbara Inglin
Ein Kind, ein Computer. Die Fachleute nennen das «One to One Computing». Realität ist das in einem kleinen Bergdorf im Berner Oberland. 320 Einwohner zählt Guttannen. Jeder der sechzehn 5.- bis 6.-Klässler besitzt seit letztem Sommer ein eigenes Net- oder Notebook.
Dieses Klassenzimmer der Zukunft realisiert hat das Lehrerehepaar Urs Zuberbühler und Andrea Scherling – wohl als Erste in der Schweiz auf der Primarstufe, und zwar ohne Sponsoring von Computerfirmen. «Weil die acht Computerkisten im Schulzimmer im Weg standen», wie Zuberbühler sagt. Ähnliche Projekte gibt es bislang nur in höheren Schulstufen.
Blog-Einträge und Podcasts
Seither hat sich einiges geändert in Guttannen. Unterrichtsmaterialien stellt der Lehrer in die virtuelle «Drop Box», auf welche die Schüler Zugriff haben. Sie erstellen Blogeinträge, Podcasts, ein virtuelles Schultagebuch. Das Wörtlidiktat ist individualisiert. Zuberbühler macht eine Tonaufnahme für jeden Schüler, so kann jeder das üben, was er noch nicht kann. Abgehört wird das Diktat über das Netbook.
Schulfrei wegen Lawinenniedergängen, was früher öfters vorkam, gibt es künftig nicht mehr. Via Internet werden die Aufträge und Arbeitsblätter an jene verschickt, bei denen der Schulweg abgeschnitten ist. Ausgefüllt kommen die Blätter wiederum übers Internet zurück zum Lehrer. Über eine gemeinsame Arbeitsplattform tauscht sich die Klasse mit einer französischsprachigen Partnerklasse aus dem Wallis aus. Auch zum «Franzwörtli» Abfragen wäre das Netbook geeignet. Die Schüler seien «sehr motiviert, mit dem Computer zu arbeiten», sagt Zuberbühler.
Trotzdem sind die Schulstunden in Guttannen wohl näher am herkömmlichen Unterricht, als man vermuten könnte. «Wir musizieren und turnen ohne Computer, und auch sonst kommen die Notebooks nur zwischendrin zum Einsatz», sagt Zuberbühler. Durchschnittlich sitzen die Kinder zwei Stunden pro Woche vor den Bildschirmen.
Diese Erfahrung deckt sich mit den Aussagen von verschiedenen Experten, die vergangene Woche an einer Fachtagung zum Thema «One to One Computing» in Goldau teilgenommen haben. Für Beat Döbeli vom Institut für Medien und Schule an der Pädagogischen Hochschule Zentralschweiz in Goldau ist klar: «Bleistift und Schulbücher werden weiterhin ihren Platz haben im Schulzimmer. Digitale Medien kommen als Ergänzung dazu.»
Eine Ergänzung allerdings, auf die man in Zukunft nicht mehr verzichten könne. «Die Kinder bringen ihre Handys mit in die Schule, in der Freizeit surfen sie im Internet. Wir können nicht weiter ignorieren, dass diese Medien Teil ihrer Lebenswelt sind.» In der Forschung sei One to One Computing schon lange ein Thema, doch jetzt sei die Zeit gekommen, dieses flächendeckend einzuführen. «Die Netbooks sind mittlerweile so klein, mobil und leicht, dass sie in Kinderhände passen. Die Preise sind so tief, dass sich die Schulen ganze Klassensätze leisten können», so Döbeli. Lehrer Zuberbühler etwa hat die Netbooks für seine Klasse über die Versteigerungsplattform Ricardo gekauft, für 230 Franken pro Stück. «Die Anschaffung war über das normale Schulbudget möglich», sagt er.
Doch was bedeutet der Wandel für Schüler und Lehrer? «Die Schule verliert ihre Lernhoheit», sagt Ben Bachmair, Professor an der Universität Kassel. «Immer mehr Schulkinder können mit dem gängigen Modell, in dem der Lehrer einfach Wissen rüberschiebt, nicht mehr lernen.»
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